Modernes Whistleblower System: Schutz, Vertrauen und Compliance stärken

Alen Kevljanin @ 24. Juni 2025
Modernes Whistleblower System Schutz Vertrauen und Compliance stärken

Spätestens seit Inkrafttreten des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) im Juli 2023 stehen auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Pflicht, ein effektives Hinweisgebersystem einzuführen. Dieses System – oft auch als Whistleblower System oder Whistleblowing System bezeichnet – soll Hinweisgeber (sogenannte Whistleblower) und ihre Identität schützen und gleichzeitig sicherstellen, dass Verstöße und Missstände frühzeitig gemeldet und intern aufgeklärt werden. Zahlreiche Vorfälle (etwa Wirecard oder Dieselgate) wurden erst durch Whistleblower bekannt, die Fehlverhalten innerhalb von Unternehmen aufdeckten. Mit ihrer Courage und Integrität tragen sie dazu bei, Gesellschaft und Unternehmen sicherer zu machen. Doch Whistleblower hatten es lange schwer – umso wichtiger ist ein vertrauenswürdiges System, das Schutz vor Repressalien bietet und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Organisation stärkt.

Was versteht man unter einem Whistleblower?

Ein Whistleblower – auch Hinweisgeber genannt – ist eine Person, die auf Missstände, illegales Verhalten oder Verstöße in einer Organisation aufmerksam macht. Häufig handelt es sich dabei um eigene Mitarbeitende, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Fehlverhalten erlangen. Es können aber genauso gut externe Personen wie ehemalige Beschäftigte, Geschäftspartnern, Kunden oder Lieferanten sein, die Informationen über Unregelmäßigkeiten innerhalb des Unternehmens melden. Entscheidend ist, dass der oder die Hinweisgebende über das Hinweisgebersystem oder einen anderen Meldekanal auf Missstände hinweist, um Schaden vom Unternehmen, den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit abzuwenden.

Whistleblower wollen also Fehlverhalten aufdecken – idealerweise bevor daraus größere Risiken oder Schäden entstehen. Beispiele für solche Hinweise sind etwa Informationen über Korruption, Betrug, Diebstahl, Diskriminierung oder andere Compliance-Verstöße (z.B. Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder interne Compliance-Richtlinien). Auch weniger extreme Fälle wie ethische Konflikte oder Verstöße gegen den unternehmensinternen Verhaltenskodex können gemeldet werden. Durch die Meldung solcher Missstände nimmt der Hinweisgeber Verantwortung wahr – oft sogar unter persönlichem Risiko. Damit Whistleblower sich dennoch trauen, ist es wichtig, dass sie auf eine offene, vertrauensfördernde Unternehmenskultur und geeignete Meldekanäle zählen können. Fühlen sich Hinweisgeber ernst genommen und vor negativen Konsequenzen geschützt, werden sie eher intern auf Probleme hinweisen, statt sich an Behörden oder die Medien/Öffentlichkeit zu wenden. Dies erlaubt dem Unternehmen, Verstöße intern zu untersuchen und abzustellen, bevor aus kleinen Problemen große Reputationsschäden entstehen.

Um Whistleblower zu schützen und ihren Mut zu belohnen, haben Gesetzgeber reagiert. Die EU hat 2019 eine Whistleblower-Richtlinie verabschiedet, die einheitliche Mindeststandards festlegt. Deutschland hat diese mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) umgesetzt, das hinweisgebende Personen vor Repressalien bewahren soll und Unternehmen zur Einrichtung sicherer interner Meldekanäle verpflichtet. Whistleblower genießen dadurch heute einen verbesserten rechtlichen Schutz: Meldungen, die im beruflichen Kontext erfolgen und bestimmte Verstöße betreffen, dürfen nicht zu Benachteiligungen wie Kündigung, Versetzung oder Mobbing führen. Kurz gesagt: Ein Whistleblower ist eine Person, die Unrecht nicht schweigend hinnimmt, sondern Hinweise auf Fehlverhalten gibt – und moderne Unternehmen sollten diese Verantwortung unterstützen, statt sie zu sanktionieren.

Was ist Whistleblower-Software (Hinweisgebersystem)?

Unter einer Whistleblower-Software versteht man ein digitales System, das als zentrale Plattform für interne Meldungen dient. Oft spricht man auch von einem Hinweisgebersystem oder Whistleblowing-System. Gemeint ist in allen Fällen eine vertrauliche Meldestelle, die es Personen – eben den Whistleblowern – ermöglicht, verdächtige Aktivitäten, Verstöße oder Fehlverhalten innerhalb des Unternehmens sicher zu melden. Solch ein System stellt einen definierten Prozess bereit, über den Hinweise entgegengenommen, bearbeitet und dokumentiert werden. Wichtig ist: Eine gute Lösung bietet Meldekanäle für anonyme Meldungen ebenso wie für namentliche Reports und gewährleistet in jedem Fall Vertraulichkeit und Datenschutz.

Moderne Hinweisgebersysteme nutzen verschiedene Technologien und Lösungen, um Meldungen niedrigschwellig zu ermöglichen. Typische Ausprägungen sind z.B. webbasierte Meldeplattformen, telefonische Whistleblower-Hotline (oft rund um die Uhr erreichbar), spezielle E-Mail-Adressen, klassische Briefkästen oder die Einbindung externer Ombudspersonen. Digitale Meldeplattformen haben den Vorteil, dass sie Meldungen strukturiert erfassen, eine sichere Datenübertragung bieten und eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgeber und interner Meldestelle ermöglichen. So kann die hinweisgebende Person auch nach dem Absenden des Hinweises Rückfragen beantworten, ohne ihre Identität preiszugeben. Viele Software-Anbieter stellen dafür ein geschütztes Postfach bereit, auf das nur der Hinweisgeber selbst und die autorisierten Sachbearbeiter Zugriff haben (mittels ID oder Token).

Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden sind gesetzlich verpflichtet, eine solche interne Meldestelle einzurichten

Wichtig dabei ist, dass der Meldeprozess objektiv, unabhängig und vertraulich abläuft, damit Mitarbeiter Vertrauen in das System haben.

Ein wirksames Hinweisgebersystem zeichnet sich durch hohen Datenschutz und klare Verantwortlichkeiten aus. Alle eingehenden Hinweise müssen vertraulich behandelt werden und die Privatsphäre aller Beteiligten wahren. Das bedeutet zum Beispiel, dass nur ein kleiner, geschulter Personenkreis (z.B. Compliance-Beauftragte oder eine externe Kanzlei) Zugriff auf die Informationen hat. Die Datenverarbeitung sollte DSGVO-konform erfolgen – sensible Daten sind zu schützen und dürfen nur zweckgebunden verwendet werden. So verlangt es auch das HinSchG: Meldungen müssen sicher und verschlüsselt gespeichert werden, und unbefugte dürfen keinen Zugriff erhalten. Zudem empfehlen Datenschutzbehörden, anonyme Meldemöglichkeiten anzubieten, da bei namentlichen Meldungen theoretisch die beschuldigten Personen Rechte auf Auskunft über personenbezogene Daten haben könnten. Durch Anonymität bleibt die Identität des Whistleblowers geschützt und das Unternehmen erfüllt dennoch seine Aufklärungspflicht. Aus demselben Grund ist eine einfache E-Mail-Adresse als Meldestelle oft nicht optimal – E-Mails können z.B. Absenderdaten preisgeben und lassen sich schlechter gegen unbefugten Zugriff sichern. Spezialisierte Hinweisgeber-Lösungen bieten hier deutlich mehr Sicherheit und Funktionen (etwa automatische Vorgangsverwaltung, verschlüsselte Kommunikation, Nachverfolgung von Meldungen etc.).

Hinweis: Eine webbasierte Meldeplattform sollte keine unnötigen Cookies oder Tracking-Tools einsetzen, die Rüc‌kschlüsse auf die Person des Hinweisgebers zulassen. Falls technisch erforderlich, muss zumindest die Zustimmung der nutzenden Person eingeholt und in den Einstellungen transparent gemacht werden. Grundsätzlich gilt: Transparenz und Datenschutz genießen höchste Priorität, damit Hinweisgeber sich auf die Vertraulichkeit des Systems verlassen können.

Wie funktioniert ein Hinweisgebersystem?

Die Funktionsweise eines Hinweisgebersystems lässt sich als geregelter Prozess darstellen, der von der Meldungsabgabe bis zur Maßnahmenumsetzung reicht. Mitarbeiter, Kollegen oder auch Externe können über die angebotenen Meldekanäle einen Hinweis abgeben. Nehmen wir als Beispiel einen Mitarbeiter, der einen Verstoß beobachtet – etwa die Umgehung von Sicherheitsvorschriften oder einen Fall von Bestechung. Dieser Mitarbeiter ruft nun entweder die Whistleblower-Hotline an, füllt ein Formular auf der Hinweisgeber-Website aus oder informiert eine benannte interne Meldestelle (z.B. den Compliance Officer oder Ombudsmann). Das Hinweisgebersystem bestätigt typischerweise den Eingang der Meldung – laut HinSchG muss dies spätestens innerhalb von 7 Tagen geschehen. Jede eingehende Meldung wird unter einer eindeutigen Vorgangsnummer registriert und an die zuständige Stelle im Unternehmen weitergeleitet, die für die Bearbeitung autorisiert ist.

Anschließend prüft die Meldestelle, ob der gemeldete Vorfall in den Anwendungsbereich des Hinweisgebersystems fällt (also z.B. ein Verstoß gegen Gesetz oder Compliance-Regeln) und ob die Hinweise plausibel erscheinen. Gegebenenfalls wird der Hinweisgeber – sofern seine Identität bekannt oder über das anonyme Postfach kontaktierbar – um weitere Informationen gebeten. Eine gründliche Untersuchung wird eingeleitet: je nach Art des Falls können interne Ermittler, die Personal- oder Rechtsabteilung oder externe Experten hinzugezogen werden. Während dieser Untersuchung gilt striktes Vertraulichkeitsgebot: die Identität des Whistleblowers sowie ggf. genannter Zeugen wird geschützt, und auch der beschuldigten Person wird zunächst nur mitgeteilt, dass ein Hinweis eingegangen ist, nicht aber wer ihn gemeldet hat. Wichtig ist zudem, dass keine Repressalien gegen den Hinweisgeber erfolgen – das Unternehmen trägt hier eine klare Verantwortung, für ein sicheres Umfeld zu sorgen.

Nachdem die Meldung geprüft ist, ergreift die Organisation angemessene Folgemaßnahmen. Das kann bedeuten, einen Missstand abzustellen, disziplinarische Maßnahmen gegen einen Täter einzuleiten oder, falls sich der Verdacht nicht bestätigt, das Verfahren einzustellen. Gemäß Gesetz muss dem Hinweisgeber spätestens innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung über die ergriffenen Lösungen bzw. Resultate gegeben werden. Viele Systeme ermöglichen es, diese Rückmeldung über das anonyme Portal zu übermitteln, sodass auch anonyme Hinweisgeber den Ausgang ihrer Meldung erfahren. So wird Transparenz im Verfahren sichergestellt.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Vertrauensbasis: Je einfacher und geschützter ein Hinweis intern abgegeben werden kann, ohne Angst vor Konsequenzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Mitarbeiter von der Möglichkeit Gebrauch machen. Deshalb sollten Unternehmen ihr Hinweisgebersystem aktiv kommunizieren und beispielsweise in Schulungen erläutern. Eine Schulung aller Mitarbeitenden zum Thema Whistleblowing und Compliance-Themen hilft, Vorbehalte abzubauen und die Akzeptanz des Systems zu erhöhen. Die Einstellungen der Meldesoftware können oft an die Bedürfnisse der Organisation angepasst werden – etwa welche Kategorien von Vorfällen auswählbar sind, in welchen Sprachen Meldungen möglich sind und wer intern Benachrichtigungen bekommt. So bleibt der Prozess flexibel und für die jeweilige Organisation passend. Letztlich soll das Hinweisgebersystem fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein: Meldungen von Fehlverhalten werden nicht als lästig oder illoyal betrachtet, sondern als Chance, Probleme früh zu erkennen und zu beheben.

Übrigens: Hinweisgebende Personen haben immer die Möglichkeit, sich alternativ an externe Stellen zu wenden. In Deutschland wurde beim Bundesamt für Justiz eine staatliche Meldestelle eingerichtet, an die sich Whistleblower ebenfalls vertrauensvoll wenden können. Nur in bestimmten Ausnahmefällen – etwa wenn sowohl interne als auch externe Meldungen erfolglos blieben oder akute Gefahren drohen – ist sogar eine Offenlegung an die Öffentlichkeit (z.B. via Presse oder Medien) zulässig. Für Unternehmen ist es daher umso wichtiger, ein effektives internes Verfahren bereitzustellen, damit Hinweise idealerweise im Haus bleiben und dort konstruktiv aufgearbeitet werden können. Ein verlässliches Hinweisgebersystem mit gelebter No-Retaliation-Policy (keine Vergeltung) ermutigt Whistleblower, sich intern an das Unternehmen zu wenden, statt brisante Informationen nach außen zu tragen.


Wie funktioniert ein Hinweisgebersystem?

Was ist das Ziel von Whistleblowing?

Whistleblowing verfolgt im Kern das Ziel, Missstände aufzudecken, Risiken zu minimieren und die Compliance in Organisationen zu stärken. Indem Hinweisgeber auf Probleme hinweisen, ermöglichen sie dem Unternehmen, frühzeitig zu reagieren und Schaden abzuwenden. Es geht einerseits um den Schutz des Unternehmens selbst – finanzielle Schäden durch Betrug oder Korruption können reduziert und Reputationsschäden vermieden werden, wenn Fehlverhalten intern erkannt und behoben wird. Andererseits dient Whistleblowing dem Schutz von Mitarbeitern, Kunden und der Allgemeinheit. Beispielsweise kann die Meldung von Verstößen gegen Umweltauflagen oder Produktsicherheitsregeln dazu beitragen, die Öffentlichkeit vor Schaden zu bewahren. In diesem Sinne leisten Hinweisgeber einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen.

Für Unternehmen und Organisationen bieten aktive Hinweisgeber-Programme zahlreiche Vorteile. Intern sorgt ein funktionierendes Hinweisgebersystem für eine Kultur der Transparenz und Offenheit, in der Probleme angesprochen werden dürfen, bevor sie eskalieren. Das fördert eine Integritätskultur und signalisiert den Mitarbeitern: Das Management nimmt Hinweise ernst, handelt nach klaren Richtlinien und stellt sich möglichen Fehlentwicklungen. Das Vertrauen der Mitarbeiter steigt, wenn sie sehen, dass ihre Eingaben zu Verbesserungen führen und Whistleblower nicht bestraft, sondern respektvoll behandelt werden. Langfristig etabliert sich so eine Unternehmenskultur, in der ethisches Verhalten honoriert wird und Compliance kein bloßes Schlagwort bleibt, sondern im Alltag gelebt wird.

Aus Sicht der Compliance-Verantwortlichen ist Whistleblowing ein unverzichtbares Werkzeug der Corporate Governance und des Risikomanagements. Es ergänzt andere Compliance-Themen wie Audits, Kontrollen und Richtlinien. Ein gut genutztes Whistleblowing-System fungiert als Frühwarnsystem: Probleme wie Betrug, Belästigung oder andere Verstöße kommen ans Licht, bevor Behörden oder externe Prüfungen sie aufdecken. So können Compliance-Risiken und mögliche Strafen deutlich reduziert werden. Eine Studie der Association of Certified Fraud Examiners fand etwa, dass Unternehmen mit Hinweisgebersystem im Schnitt halb so hohe Schäden durch Wirtschaftskriminalität erleiden wie solche ohne Meldesystem. Auch Stakeholder außerhalb der Firma honorieren funktionierendes Whistleblowing: Geschäftspartner, Investoren und Kunden fassen mehr Vertrauen in ein Unternehmen, das nachweislich offen mit Hinweisen umgeht und seine Integrität wahrt. Damit wird Whistleblowing zu einem Baustein langfristigen unternehmerischen Erfolgs – es schützt nicht nur vor Risiken, sondern verbessert auch das Image und die Beziehungen zu allen Stakeholdern.

Zusammengefasst: Das Ziel von Whistleblowing ist es, Verantwortung zu übernehmen und Fehlverhalten konsequent entgegenzutreten – zum Wohl des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und der Gesellschaft. Es stärkt Compliance, Transparenz und Fairness. Ein Unternehmen, das seine Meldekanäle ernst nimmt und Hinweisgebern dankt statt sie zu sanktionieren, demonstriert gelebte Integrität. Damit einher gehen besseres Betriebsklima, geringere Risiken und ein gestärktes Vertrauen aller Beteiligten in die Organisation.

Fazit: Stärke durch Vertrauen und Transparenz

Ein Hinweisgebersystem ist weit mehr als nur ein Erfüllungsaufwand aufgrund des HinSchG – es bietet Unternehmen die Möglichkeit, aktive Lösungen für interne Probleme zu finden, bevor daraus Skandale werden. Die Einführung eines Whistleblower-Systems demonstriert Verantwortung und Weitsicht: Es schützt sowohl die Hinweisgeber als auch das Unternehmen selbst. Durch Schulungen, einen klar kommunizierten Prozess und eine wertschätzende Haltung gegenüber Hinweisgebern lässt sich eine vertrauensvolle Unternehmenskultur schaffen, in der Hinweise nicht als Angriff, sondern als Chance zur Verbesserung gesehen werden. So erfüllt man nicht nur die gesetzlichen Pflichten des HinSchG, sondern stärkt dauerhaft Vertrauen, Integrität und Compliance im eigenen Haus – zum Nutzen der Mitarbeiter, der Geschäftspartnern, der Organisation und der Gesellschaft.

Weitere Informationen unter CIRS: Critical Incident Reporting Systeme.

Alen Kevljanin
Alen Kevljanin
Berater GRC und Ansprechpartner für GRC Management sowie Software & technische Spezifikation